Frankfurt, 05. April 2017 – Der gewerbliche Wohninvestmentmarkt* in Deutschland war im ersten Quartal 2017 von eher kleineren Transaktionen und vor allem dem Handel von Projektentwicklungen gekennzeichnet. Insgesamt wurden Wohnobjekte und Portfolios in einer Größenordnung von 3,7 Mrd. Euro (27.400 Einheiten) gehandelt. „Diese Zahlen sind umso bemerkenswerter, als 2016 das erste Jahr war, in dem die Zahl der angebotenen Objekte und Portfolios in Großtransaktionen und Fusionen bereits deutlich abgenommen hat“, so Dr. Konstantin Kortmann, Head of Residential Investment JLL Germany. Seit 2012 waren diese großen Transaktionen die zentrale Determinante des Marktvolumens. Nun zeige sich aber im ersten Quartal ein Transaktionsvolumen, das im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (Q1 2016: 2,1 Mrd. Euro) um mehr als 75 % zugelegt habe, bei einer etwa 10 % höheren Anzahl an Transaktionen (Q1 2017: 104/ Q1 2016: 95). Auch der Schnitt des Fünfjahreszeitraums (Q1 2012-Q1 2016: 91 Transaktionen pro Jahr) wird übertroffen. „Was hinter dieser Entwicklung steht, ist klar: Die Preise sind insgesamt deutlich gestiegen. Investoren mussten im ersten Quartal durchschnittlich mehr als 130.000 Euro pro Einheit für Wohnimmobilien bezahlen, ein Jahr zuvor waren es nur 95.000 Euro“, so Kortmann und er ergänzt: „Verantwortlich für diese Entwicklung sind die zahlreichen Forward Deals“. Sie summierten sich in den ersten drei Monaten auf fast 30 % des Transaktionsvolumens, entsprechend einem deutlichen Zuwachs gegenüber dem Fünfjahresschnitt im jeweils ersten Quartal (10%). Pro Wohneinheit wurden bei diesen Forward Deals etwa 260.000 Euro investiert. „Die Investoren sichern sich bei Forward Deals eine Produktpipeline an attraktiven Projekten, übernehmen einen Teil des Risikos und ermöglichen so den Entwicklern, die günstigen Finanzierungen im Niedrigzinsumfeld zu nutzen“, erläutert der Investmentexperte.
„Im Mittel wechselten pro Transaktion etwa 260 Einheiten den Besitzer“, ergänzt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Und weiter: „Diese Zahl ist weit entfernt von den 850 Einheiten pro Deal, die im Mittel der letzten fünf Jahre im ersten Quartal erzielt wurden. So ist es eher überraschend, dass zwischen Januar und Ende März immerhin sieben Transaktionen mit mehr als 1.000 Wohnungen getätigt wurden“. Die größte Transaktion war der Erwerb von 3.900 Wohnungen und 270 Gewerbeeinheiten in Berlin für 655 Mio. Euro durch die Deutsche Wohnen AG. „Das Dilemma der großen deutschen Wohnungskonzerne liegt auf der Hand: Sie wollen weiter wachsen, aber der Markt bietet kaum noch bestandsadäquate Objekte, die in die bestehende Risiko- und Renditestruktur des Portfolios passen“, so Kortmann. Für ein weiteres Wachstum müssten nun höhere Preise bezahlt und gegebenenfalls auch andere Risikostrukturen der zu erwerbenden Portfolios akzeptiert werden. „Dazu gehört auch, dass die Konzerne damit beginnen, entweder in die Nachverdichtung der Bestände zu investieren wie es etwa die Vonovia gemacht hat oder selbst Wohnungsstandorte zu entwickeln, um ihr Standbein in prosperierenden Wohnungsmärkten zu festigen, wie im Fall von Deutsche Wohnen und ihrem Investment in das frühere Kasernengelände in Potsdam-Krampnitz“, so der Investmentexperte.
Nach langer Zeit konnte auch wieder ein Verkauf von Werkswohnungen registriert werden: Vivawest erwarb 1.800 Wohnungen der WBG Wohnungsbaugesellschaft für das Rheinische Braunkohlenrevier, die u.a. der RWE und der Vermögensverwaltungs- und Treuhandgesellschaft der IG Bergbau und Energie gehörten. Portfoliobereinigungen bleiben auf der Transaktionsagenda: so verkaufte etwa die Berlinovo 1.400 Wohnungen an die TAG Immobilien AG sowie 1.100 Wohnungen in Zechenhäusern in Oberhausen und Duisburg an die Peach Property Group.
Die angepasste Strategie der börsennotierten Wohnungskonzerne, das Risikospektrum ihres Portfolios auszuweiten, hat zu einem Aufbau ihres Wohnimmobilienvermögens um immerhin 1,2 Mrd. Euro geführt. Mit Abstand folgen die im vergangenen Jahr sehr aktiven deutschen Spezialfonds, die bis dato Haupterwerber von Forward Deals waren. Größte Verkäufergruppe waren die Projektentwickler, die insgesamt über 1,3 Mrd. Euro an Immobilienvermögen abbauten. Nettoverkäufer waren auch die professionellen Asset-/ Fondsmanager mit fast 300 Mio. Euro Vermögensabbau.
Am größten deutschen Wohninvestmentstandort, Berlin, wurden mit ca. 1,3 Mrd. Euro mehr als ein Drittel des deutschlandweiten Transaktionsvolumens getätigt. Etwa 10 % (entsprechend 400 Mio. Euro) entfallen auf die Hansestadt Hamburg. Erstmals seit 2014 steht mit einem Anteil von 6 % das Ruhrgebiet wieder auf einem der oberen Plätze. Frankfurt kommt auf lediglich 182 Mio. mit nur drei Transaktionen. Auch im ersten Quartal 2017 werden Wohninvestments maßgeblich von deutschen Investoren getätigt. Der Anteil der internationalen Akteure am Transaktionsvolumen liegt stabil bei etwa 20 %. Aus Frankreich und Israel floss mit insgesamt 400 Mio. Euro das meiste Kapital nach Deutschland.
„Auch wenn die Identifizierung von potenziellen Investitionszielen angesichts der aktuellen Marktsituation mit wenigen Angeboten, aber hoher Liquidität nicht immer einfach ist, könnte sich das Transaktionsvolumen 2017 deutlich über dem Vorjahr bewegen. Der Trend aus den ersten drei Monaten wird sich fortsetzen: zwar weniger Transaktionen, die aber zu höheren Preisen“, so Kortmann. Ein Transaktionsvolumen von 15-17 Mrd. Euro bis Ende des Jahres scheint erreichbar zu sein.
* Verkauf von Wohnungspaketen und Studentenheimen mit mindestens 10 WE und 75 % Wohnnutzung sowie der Verkauf von Unternehmensanteilen mit Übernahme einer Kontrollmehrheit ohne Börsengänge
Quelle: JLL